Donnerstag, 26. Oktober 2017

In einem Boot

"Ich kann doch gar nicht rudern", will ich dir sagen. Jetzt bin ich hier in diesem wackeligen Boot, auf dem wir beide auf den See hinausgerudert sind - aber du bist über Bord gegangen. Ich wollte mit dir gemeinsam ins kalte Wasser springen, Hand in Hand vielleicht, weiter hinausschwimmen. Augen zu unter Wasser, und wenn du mich küsst. Stattdessen habe ich gerade zum Sprung angesetzt - und da warst du schon wieder am Ufer. Hast ein bisschen bedauernd gewunken und dich abgewandt. "Jetzt können wir vielleicht noch zurückrudern", hast du gesagt.

Wie denn? frage ich mich. Du hast mir das Ruder doch schon aus der Hand gerissen, bevor ich sagen konnte, dass ich mich vor den Fischen fürchte. Ich fürchte mich vor ziemlich viel, genau wie du wahrscheinlich. Aber darüber wolltest du nicht reden - du hast mich hinaus gerudert und dabei ziemlich weit ausgeholt, mit großen Gesten und säuselnden, süßen Worten - du hast mich gerade so weit hinaus gerudert, du hast mich gerade so weit gehabt, dass ich das Ufer nicht mehr klar erkennen konnte. Und dann hast du dich leise verabschiedet.

Es geht nicht einmal wirklich um dich, weißt du. Eine Bootsfahrt, eine halbe, sagt nichts aus, dachte ich. Da kann ja nichts passieren. Mit Fremden in Boote steigen macht doch sowieso jeder andauernd. Es geht darum, dass ich mit dir springen wollte, trotz des kalten Wassers und trotz der Fische. Dass ich mich vor dir ausziehen und aufstehen und springen wollte, dass ich schon in die Knie gegangen bin. Vielleicht hab ich heimlich, in Gedanken, auch schon unser Hausboot eingerichtet.
Es geht um diese Ahnung, diesen Anflug eines Etwas, um dieses Flüstern zwischen den Zeilen, diese kleine Hoffnung auf Größeres, das hätte kommen, werden können.

Aber du bist schon wieder weg, zurückgerudert, am Ufer, während ich bibbernd alleine im Boot sitze.