Donnerstag, 16. Februar 2017

screw yourself/Selbstreparatur


Ich hab eine Schraube locker, sie bewegt sich und macht quietschende Geräusche bei jedem Nicken, jedem Kopfschütteln. Beim Schlafen stört sie auch, sogar beim Kauen wackelt sie mit. Nicht dass ich beim Schlafen kaue. Glaube ich zumindest.
Auf jeden Fall, die lockere Schraube. Ab und zu versuche ich, sie von Hand ein bisschen festzudrehen, sie ein bisschen reinzuwürgen in das Loch - aber das Gewinde ist abgenutzt. Nicht dass ich Ahnung von Schrauben und Gewinden hätte. Habs auch schon mit Schraubenziehern versucht, aber keiner hat richtig gepasst, keiner konnte die Schraube richtig greifen, weißt du? Einmal hab ich sie fast verloren, fast wäre sie ganz aus dem Loch gefallen, da neben meiner Schläfe, ganz nah am Haaransatz. Das war, als ich getanzt habe, meinen Kopf zur Musik bewegt, hin und her, anscheinend ein bisschen zu fest. Immerhin hätte ich dabei fast meine Schraube verloren! Und was ist schlimmer, als eine Schraube locker zu haben? Richtig, sie ganz zu verlieren. Glaube ich zumindest.


Ich hab mal einen Artikel gelesen - so fangen viele meiner Sätze an, und dann erzähle ich von einem Vice-Artikel, in dem es wahlweise um Sex, Liebe, Alkohol oder andere Kuriositäten ging und nach der Hälfte der Erzählung fällt mir auf, dass mir die Quintessenz des Artikels gar nicht mehr einfällt und dann lass ich das meistens einfach so stehen - auf jeden Fall, dieser Artikel. Da ging es um Drogen und darum, dass man besser denken kann, wenn man ein Loch im Kopf hat und das hat so ein Typ mal gemacht und dann war er immer total entspannt/kreativ/high. Vielleicht geh ich mal wieder tanzen, verliere diese Schraube, meine Schraube, mit Absicht? Und dann bin ich auch entspannt/kreativ/high. Worauf ich hinaus will, ist die Tatsache, dass ich mir gar nicht so sicher bin, ob es schlimm ist, dass ich diese lockere Schraube habe, oder ob es nicht viel schlimmer ist, dass sie stört beim Schlafen, Essen, Tanzen.


In diesem linguistischen Text, den ich endlich gelesen habe (einen Monat später als vom Dozenten empfohlen), geht es um Reparaturen. Um selbst- und fremdinitiierte Selbst- und Fremdreparaturen in der gesprochenen Sprache. Ich verbessere mich entweder selbst, oder ich werde verbessert.
Doch auch wenn ich verbessert werde, wenn die Reparatur fremdinitiiert ist, wartet das Gegenüber in der Konversation meistens und gibt mir Zeit, mich dann - nach diesem Anstoß, nach einem Nachfragen, nach der Initiierung - selbst zu reparieren, mich zu korrigieren. Sind wir nicht nett zueinander? Fremdinitiierte Fremdreparaturen sind nur im Spracherwerb häufig, im Gespräch mit Kindern oder mit Menschen, die eine neue Sprache lernen. Doch Kinder werden älter, Lerner werden besser. "Other-correction [...] is only a transitional usage, whose supersession by self-correction is continuously awaited". Wir helfen uns dabei, uns selbst zu reparieren, irgendwann.
Auch wenn diese Reparatur bedeutet, etwas mit Absicht zu verlieren, oder?
(Schegloff et al. 1977:381)

Kunst von: Sabrina Pohl (@pablosironic) <3