Dienstag, 22. Oktober 2013

treinta y uno

Mein neues Leben ist 31 Tage alt und ich habe schon eine Menge Alltagsroutine gesammelt.

Routine ist, morgens als erstes den Warmwasserhahn aufzudrehen, damit ich mit heißem Wasser duschen kann. Mein Warmwasserhahn beginnt nämlich nach einiger Zeit zu tropfen, also darf ich ihn nicht zu lange aufgedreht lassen, es sei denn ich möchte nicht in der Dusche duschen, sondern ein Fußbad in meinem Badezimmer nehmen.
Routine sind die kleinen Kämpfe mit Victoria, egal ob es ums Aufstehen, das Haare bürsten oder die Hausaufgaben geht.
Routine ist der Bus, der grundsätzlich zu spät kommt - außer natürlich, wenn ich spät dran bin - mit der freundlichen Busfahrerin und den Gesichtern, die ich langsam kenne.
Routine ist der morgendliche Blick über den Flughafen, der liegt nämlich zwischen Madrid und dem Ort, in dem ich wohne und so komme ich jeden Morgen in den Genuss, den Flugzeugen vom Bus aus beim Abheben zuzusehen.
Routine sind die Menschen vor meiner Sprachschule, die mich mit einem "Hola que tal" begrüßen und es schon lange aufgegeben haben, mir ihre Werbung zuzustecken, die sie verteilen, weil auch sie mich langsam kennen.
Routine ist, nach der Sprachschule mit den Mädels Kaffee trinken zu gehen und sich gegenseitig beim Shopping zu beraten. Ich weiß inzwischen, wo es einigermaßen billigen und guten Kaffee gibt und das Sortiment in diversen Shops kenne ich auch ziemlich gut.

Routine ist, abends todmüde zu sein und sich trotzdem auf den nächsten Tag zu freuen.

Dank meinen amerikanischen Freunden von der Sprachschule kann ich täglich meinen Englischwortschatz erweitern mit so tollen Worten wie "to tower someone". Wenn man jemanden "tower"t, ist man größer als derjenige. Klar, dass da nicht von mir die Rede war.
Ich habe auch schon spanische Lieblingswörter: "comilon" ist einer, der gerne viel isst und "dormilon" ist einer, der gerne viel schläft.

Zur "dormilona" werde ich meistens sonntags, wenn ich Samstag abends weg war. Mein letzter Bus nach Hause fährt nämlich um 23.00 und mein erster wieder um 8.30.
Solche Nächte fordern natürlich ihren Tribut, den ich ihnen aber gerne den ganzen Sonntag über zolle.

Langsam komme ich mir nicht mehr komisch vor, wenn ich mir in der Küche etwas zu essen nehme. Langsam finde ich das Schlüsselloch automatisch und auf den Metroplan muss ich schon lange nicht mehr schauen, wenn ich zur Schule fahre.

Ich denke, man kann es Angekommen sein nennen.

Montag, 7. Oktober 2013

du er søt


Ein Wochenende in Oslo - warum nicht?

Das dachte ich mir und schon war ich mit zwei amerikanischen Freunden aus Spanien unterwegs in den kalten Norden. Ryanair machts möglich.
Im Hostel kam ich endlich wieder in den Genuss von Vollkornbrot, das ich in Madrid furchtbar vermisse. Ein skandinavisches Frühstücksbuffet ist keineswegs zu verachten, schon gar nicht wenn es im Preis inbegriffen ist.


Auch die Norweger sind nicht frei von Lastern, zumindest was den Alkohol betrifft. Die Raucherei ist hingegen nicht weit verbreitet, was höchstwahrscheinlich an den astronomischen Preisen liegt - umgerechnet 9 Euro für eine Schachtel Zigaretten.
Eigentlich ist hier alles teuer.


Mit dem Schiff fuhren wir übers Meer zu einigen Museen.
Ich weiß jetzt, wie echte alte Wikingerschiffe aussehen und dass reiche alte Wikingerinnen auch mal mit 15 Pferden bestattet werden.
Es gibt Stoffe aus der Wikingerzeit, die seit 1200 Jahren erhalten sind und das gleiche Karomuster haben wie mein Flanellhemd. Ich glaube allerdings kaum, dass irgendjemand in 1200 Jahren mein Flanellhemd ausgräbt. Nun, ich will auch nicht unbedingt zusammen mit 15 Pferden begraben werden.






Wunderschöner Herbst.
Im "Folkenmuseet" waren wir ebenfalls. Das ist ein "open air" Museum, du läufst zwischen alten, kleinen norwegischen Häuschen durch einen großen Park. Es gibt auch ein paar fast vermoderte Holzstelzen, die wir natürlich ausprobieren mussten. Mein Rekord waren zwei Schrittchen - Tippelchen - nach vorne und einer zurück, bevor ich mich schwankend wieder dem Boden der Tatsachen näherte. Früher, im Kindergarten, war das irgendwie leichter.




Am Sonntag waren wir im Frogner Park, riesengroß, voll mit Steinskulpturen, die nackte Menschen in den verschiedensten Verrenkungen und Kombinationen und Körperzuständen darstellen.


Die Skulpturen haben keine Inschriften oder Erklärungen. Sie sind nackt, wortwörtlich in mehr als nur einem Sinne, und du kannst deiner Fantasie freien Lauf lassen.




Menschen in Bäumen. Wurzeln und Äste und Arme und Beine, verzerrte Gesichter.
In Stein gemeißelt, das hieß für mich immer starr, emotionslos. Aber nachdem ich die vielen Steingesichter gesehen habe, die so lebendig, gefühlvoll in jeder Art, wirken, dass ich fast erwarte, dass eines der Kinder aus den Ästen fällt und anfängt durch den Park zu spazieren - vielleicht laut schreiend, so wie es die kleinen Kinder in Flugzeugen gerne tun -, ist in Stein Gemeißeltes für mich nicht länger emotionslos, sondern viel mehr vakumierte, haltbargemachte Emotion.

Ich habe hier in zwei Tagen so viele Menschen in Jogginghosen und Trainingsanzügen gesehen wie ich sie in Madrid vielleicht in einem ganzen Jahr sehen werde.
Das Überraschende: Die Jogginghosenmenschen sahen trotzdem gut gekleidet aus - mal abgesehen von den Ausnahmen, die es in jeder Stadt gibt (ältere Frauen in labberiger Kleidung mit durchsichtiger Flüssigkeit in Colaflaschen und leicht aggressivem Auftreten vor der Metro).

Ich bin positiv überrascht! Auch von dem typisch norwegischen Essen. Frühstück natürlich eins a, und auch das Abendessen - ich hatte irgendein Fleisch mit viel Gemüse, Soße und Marmelade dazu, meine Freundin Walsteak mit viel Gemüse, Soße und Marmelade. Ich kann jetzt von mir behaupten, ein kleines Stück Wal gegessen zu haben und es war gar nicht schlimm. Nur teuer.
Noch ein Manko: Drinking age 23.

"Du er søt" heißt übrigens "du bist süß". Das haben mir zwei junge Norweger auf dem Rückflug beigebracht. Die verbringen die Woche in Madrid, machen einen Austausch von ihrer Spanischklasse aus.
Dass Norweger spanisch lernen und umgekehrt hätte ich nicht gedacht, aber - warum nicht?

Dienstag, 1. Oktober 2013

verbildlicht

schiere Weite

das kommt davon, wenn man dem Kind zeigt, wie die Kamera funktioniert

falls mich jemand fragen will, wie mein Himmel aussieht

Kitty hat die beste Aussicht

Baum und Straßenschild, zusammengerückt


kopflos, Hand voll Glück